Lernpfad 2: Aufbauwissen
Geschlecht und Gesundheit

Lernmodul 4: Diskriminierung und Gesundheit

Bearbeitung ca. 15-20 Min.


Dieses Modul gibt einen Überblick über die Begriffe Gesundheit, Krankheit, Gesundheitsförderung und Diskriminierung.
Es stellt dar, dass sich Diskriminierungserfahrungen negativ auf die Gesundheit auswirken können. Gesundheitsförderung zu betreiben, bedeutet deshalb auch, Diskriminierung von Menschen zu verringern bzw. zu vermeiden.

Lernziele:

  1. Die Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit und Gebrechen. (WHO, 1946)
  2. Soziale Ungleichheiten und Diskriminierungen können sich negativ auf die Gesundheit auswirken und zu gesundheitlicher Ungleichheit beitragen.
  3. Wer Gesundheit fördern will, muss Diskriminierungen abbauen.

Gesundheit: Definitionen der WHO

Es existieren verschiedene Vorstellungen davon, was Gesundheit und was Krankheit ist. Je nachdem, in welchem Bezugssystem man denkt – Individuum, Gesellschaft, wissenschaftliche Disziplinen wie die Medizin –, bestehen unterschiedliche Auffassungen und Definitionen. Diese Auffassungen sind wandelbar: Sie verändern sich im Rahmen gesellschaftlicher Diskussionen und Entwicklungen.

Diese Lernplattform orientiert sich wesentlich an den Definitionen der Weltgesundheitsorganisation.

Diese hat in ihrem Gründungsdokument Gesundheit als „Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit und Gebrechen“ definiert (WHO, 1946). Hier wird deutlich, dass Gesundheit mit dem Wohlbefinden eine subjektive Komponente hat. Zudem gibt es nicht „die“ Gesundheit, sondern Gesundheit manifestiert sich in verschiedenen Bereichen des individuellen Lebens auf körperlicher, psychischer und auch sozialer Ebene.

Eine weitere Definition der WHO von Gesundheit sehen Sie in der nachfolgenden Textgrafik. Diese entstammt der Ottawa-Charta aus dem Jahr 1986.


aus: Ottawa-Charta für Gesundheitsförderung (WHO, 1986), Hervorhebungen durch: intrahealth

Krankheit: ICD-11

Für die Frage, was als Erkrankung gilt, gibt die WHO die „Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ (ICD) heraus. Seit Anfang 2022 ist die 11. Revision gültig (ICD-11).

Auf die Aussagen des ICD-11 zu Inter- und Transgeschlechtlichkeit sind bereits die vorangegangenen Module eingegangen:
Mit dem ICD-11 wird Transgeschlechtlichkeit als „Zustand mit Bezug zur sexuellen Gesundheit“ unter der Bezeichnung „Geschlechtliche Inkongruenz“ (oder: Genderinkongruenz) gelistet. Transgeschlechtlichkeit stellt seitdem keine Diagnose mit Krankheitswert mehr dar. Der Wortlaut aus dem ICD-11 findet sich in der nachfolgenden Textgrafik.

Anders verhält es sich mit Intergeschlechtlichkeit, die im ICD-11 unter dem Sammelbegriff „Disorders of Sex Development“ (DSD) weiterhin pathologisiert wird (Böhm et al., 2022).

Gesundheitsförderung: die Ottawa-Charta

Gesundheitsförderung hat zum Ziel, Gesundheit und Wohlbefinden zu steigern. Die Ottawa-Charta der WHO (1986) hat verschiedene Handlungsansätze beschrieben, die hierfür zentral sind. Gemeinsam ist ihnen, dass es sich um ein umfassendes Konzept handelt, dass Personen, ihre soziale Eingebundenheit in der Gesellschaft und politische und soziale Strukturen gleichermaßen in den Blick nimmt.

Die nachfolgende Textgrafik zeigt die Definition von Gesundheitsförderung aus der Ottawa-Charta.
aus: Ottawa-Charta für Gesundheitsförderung (WHO, 1986)

Wie kann Gesundheit entstehen?

Eric Barth erzählt, wie für ihn Gesundheit im Alltag entsteht.

Diskriminierung ist weit mehr als bewusstes Handeln

Die meisten Menschen denken bei „Diskriminierung“ vorrangig an absichtsvolles Handeln, das Einzelne gegenüber anderen Menschen ausüben. Sie denken zum Beispiel an bewusste Ausgrenzung, beleidigende Worte oder herabwürdigendes Verhalten, das auf Vorurteilen der jeweils Handelnden beruht.

Doch Diskriminierung ist weit mehr als bewusstes und absichtsvolles Handeln Einzelner. Es ist problematisch, den Blick auf solche Handlungen Einzelner zu verengen. Etliche Formen von Diskriminierung drohen dann, nicht wahrgenommen zu werden.

So handeln Menschen nicht immer absichtsvoll, wenn sie sich diskriminierend verhalten. Viel geschieht hier unbewusst oder gar in der erklärten Absicht, selbst eben nicht zu diskriminieren.

Manchmal fühlen sich Menschen, die Diskriminierung ausschließlich als bewusstes Handeln „in böser Absicht“ verstehen, persönlich angegriffen, wenn andere ihr Verhalten als benachteiligend kritisieren. Sie fühlen sich dann missverstanden und reagieren möglicherweise mit Abwehr auf etwas, was eigentlich eine Chance sein könnte: eine Rückmeldung zum eigenen Verhalten und zu seinen Auswirkungen.

Diskriminierung: Kategorisierung und soziale Hierarchisierung

Diese Lernplattform orientiert sich an folgender Auffassung von Diskriminierung (Scherr, 2017):
Wir verstehen unter Diskriminierung,

  • dass Menschen aufgrund bestimmter Merkmale (vermeintlich) eindeutig einer Kategorie bzw. Gruppe zugeordnet werden (Kategorisierung),
  • und sie nicht als ebenso gleichwertige gesellschaftliche Mitglieder angesehen werden wie der gesellschaftliche „Normalfall“ (soziale Hierarchisierung).

Der angenommene „Normalfall“ ist der erwachsene, männliche, weiße, heterosexuelle deutsche Staatsbürger, der körperlich und psychisch gesund ist. Er hat einen guten sozialen Status und Bildung und entspricht kulturell und im Hinblick auf äußere Merkmale der Mehrheitsgesellschaft hierzulande. Hinsichtlich der Geschlechterbiografie ist damit auch gemeint, dass der „Normalfall“ im Lebensverlauf das hatte und hat, was als „männlicher“ Körper angesehen wird und so auch schon nach der Geburt diesen Personenstand erhalten hat.

Diskriminierung hält gesellschaftliche Hierarchien aufrecht

„Normalfall“ bedeutet, dass diese soziale Gruppe bewusst und unbewusst als die Norm angesehen wird, der positive Eigenschaften zugeschrieben werden und der bestimmte gesellschaftliche Ressourcen, Macht und Positionen zugesprochen werden. Andere Menschen werden als different, als abweichend, angesehen. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer als „anders“ angesehen sozialen Gruppe werden ihnen bestimmte Eigenschaften zugeschrieben, sie werden mit folgenreichen sozialen Vorstellungen konfrontiert und sollen eine mit weniger Macht und Ressourcen ausgestattete soziale Position einnehmen.

Diese Auffassung von Diskriminierung bildet dabei nicht nur als Momentaufnahme gegenwärtige soziale Verhältnisse ab. Sie verweist auch auf Prozesse und Dynamiken in Geschichte und Gegenwart, die diese hierarchischen sozialen Ordnungen immer wieder herstellen, gestalten, stabilisieren und transformieren.

Diskriminierung ist also in der Zusammenfassung all das, was gesellschaftlich und historisch herausgebildete soziale Hierarchien zwischen Gruppen aufrechterhält.

Ist Diskriminierung von inter* und trans Menschen in Deutschland verboten?

Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist in Deutschland durch das Grundgesetz verboten. Dies verbietet auch die Diskriminierung von inter* und trans Menschen, erklärt Julia Zinsmeister.

Welche Formen hat Diskriminierung?

Zu Diskriminierung gehören die eingangs erwähnten direkten gewaltvollen Handlungen Einzelner. Diskriminierung kann sich auch zeigen, indem Menschen etwas vorenthalten wird, was andere erhalten: Respekt, Anerkennung für Leistung, gleiche Bezahlung, Wertschätzung und anderes mehr.

Auch manifestiert sich Diskriminierung auf weiteren Ebenen als nur im direkten, interpersonalen Umgang. Auch Regeln, Rahmenbedingungen oder Normen können dazu führen, dass Menschen benachteiligt werden. Denken Sie an Gebäude oder eine Arztpraxis, die nur über Treppen erreichbar ist. Die Bedingungen sind für alle vermeintlich gleich: Alle müssen Treppen steigen, um die Arztpraxis aufzusuchen. In der Wirklichkeit ist dies für einige völlig problemlos – andere schließt es dauerhaft von der Nutzung der Einrichtung aus, weil sie zum Beispiel im Rollstuhl mobil sind.

Ob Menschen unterschiedlich oder gleich behandelt werden oder dieselben Bedingungen vorfinden, ist also kein Kriterium für Diskriminierung: Beides kann in Ordnung sein, beides kann diskriminierend sein. Handlungen, Bedingungen und Strukturen sind dann diskriminierend, wenn sie gesellschaftliche Ressourcen zu Ungunsten einer sozialen Gruppe an andere umverteilen.

Diskriminierung und Gesundheit

Zu einer gesellschaftlich diskriminierten und marginalisierten sozialen Gruppe zu gehören, bedeutet, in verschiedenen Bereichen weniger Zugang zu Ressourcen zu haben als andere, privilegierte soziale Gruppen. Dies hat Auswirkungen auf die Gesundheit. Denn Gesundheit ist nicht gleich über alle Bevölkerungsgruppen verteilt. Verallgemeinernd lässt sich sagen, dass ein Mehr an Ressourcen auch immer mit einem besseren Gesundheitszustand einhergeht.

Hier ist wichtig zu verstehen, dass dieser Denkansatz sich mit der Frage der gesellschaftlichen Verteilung von Ressourcen und Gesundheit auf Bevölkerungsebene beschäftigt – nicht mit dem Individuum. Es ist durchaus möglich, dass Angehörige sozial privilegierter Gruppen sehr krank sind und Angehörige sozial marginalisierter Gruppen ein langes Leben bei guter Gesundheit führen.

Über Diskriminierung und Gesundheit nachzudenken, bedeutet nicht, Vorhersagen über den Lebenslauf Einzelner zu treffen.

Den Zusammenhang verstehen

Zudem ist es so, dass Diskriminierung und Marginalisierung auch nicht in jeder Situation zu einer Verschlechterung von allen Parametern des Gesundheitszustandes führen. Der Zusammenhang ist komplexer.

Ein prominentes Beispiel hierfür ist, dass die Lebenserwartung von biologischen Frauen zumeist höher ist als die von biologischen Männern, sogar dann, wenn Geschlechterverhältnisse zutiefst ungerecht und unterdrückend gegenüber Frauen sind. Hierzu tragen zum Beispiel biologische Faktoren bei, die zu geschlechtsspezifischen Unterschieden bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen, was sich wiederum auf die Sterblichkeit auswirkt.

Ein weiteres Beispiel sind Erkrankungen, bei denen das Hauptrisiko von der Art der Arbeit bestimmt wird, die Personen verrichten. Es leuchtet ein, dass Personen mehr Haushaltsunfälle erleben, die mehr im Haushalt arbeiten. Und Personen, die länger einer staubhaltigen Umgebung ausgesetzt sind, entwickeln auch häufiger entsprechende Lungenerkrankungen. Man spricht davon, dass Menschen je nach ihren Lebens- und Arbeitsbedingungen unterschiedlich exponiert sind gegenüber bestimmten gesundheitlichen Einflussfaktoren.

Soziale Determinanten von Gesundheit

Je nachdem, wie Gesellschaften die Arbeitsteilung nach innerhalb von rassistischen oder sexistischen Verhältnissen, Geschlechter- und anderen Verhältnissen organisieren, finden sich auch Unterschiede in der damit zusammenhängenden gesundheitlichen Situation.

Das Modell der gesundheitlichen Determinanten nach Dahlgren und Whitehead, das Sie auf der nachfolgenden Abbildung in einer adaptierten Version sehen können, kann helfen, über diese Zusammenhänge nachzudenken (Dahlgren/Whitehead, 1991, 2021). Ihr Modell soll es erleichtern, über die Faktoren nachzudenken, die die Verteilung von Gesundheit und Krankheit auf Bevölkerungsebene beeinflussen: Diese werden als Determinanten von Gesundheit bezeichnet.

Für die Frage, wie sich gesellschaftliche Ungleichheits- und Diskriminierungsverhältnisse auf die Gesundheit auswirken, sind insbesondere die sozial veränderlichen Determinanten von Bedeutung, wie eben zum Beispiel gesellschaftliche Arbeitsteilungen oder differente Lebensbedingungen.


Adaptierte bzw. veränderte Abbildung des Modells der Determinanten von Gesundheit (nach: Dahlgren/Whitehead 1991, 2021).

Geschlecht als soziale Determinante von Gesundheit

Im Originalmodell der Determinanten von Gesundheit (Dahlgren/Whitehead, 1991, 2021) findet sich im inneren Kreis zusammen mit Alter und konstitutionellen Faktoren auch das sog. „biologische Geschlecht“ (sex). Für die Abbildung hier wurde dies nicht übernommen.

Diese Lernplattform hat ein mehrdimensionales Verständnis von Geschlecht als Denkgrundlage. Mit Blick auf die Grafik hier finden sich Geschlechterverhältnisse und Sexismus – ähnlich wie beispielsweise Rassismus – auf allen Ebenen wieder. Denn als soziale Ungleichheitsverhältnisse durchdringen sie alle Lebensbereiche von Gesellschaften und wirken sich auf allen Ebenen auf das Leben von Menschen und damit auf ihre gesundheitlichen Chancen aus.

Intersektionalität

Im Leben von Menschen und in den Prozessen, die Gesellschaften gestalten, wirken alle sozialen Verhältnisse zusammen. Sie sind multidimensional. Zu der Frage, wie sich dieses Zusammenwirken gestaltet und wie diese Mechanismen und Erfahrungen in Worte gefasst und analysiert werden können, gibt es unterschiedliche Ansätze.

Die neueren Diskussionen entstammen den Sozialen Bewegungen seit den 1960ern und hier insbesondere dem Schwarzen lesbischen Feminismus (vgl. Combahee River Collective, 1979).

Ende der 1980er Jahre prägte die Juristin Kimberlé Crenshaw den heute vielfach verwendeten Begriff der „Intersektionalität“ (Crenshaw, 1989). Sie wies darauf hin, dass sich durch das Zusammenwirken von verschiedenen Diskriminierungslinien – in ihrer Veröffentlichung untersuchte sie Rassismus und Sexismus – neue Formen von Diskriminierungserfahrungen entstehen können. Diese bleiben oft unsichtbar und Betroffene erhalten wenig Unterstützung, weil ihre Erfahrungen nicht eindeutig in das passen, was als „Rassismus“ einerseits oder „Sexismus“ andererseits betrachtet wird.

Diskriminierungsverhältnisse wirken zusammen

Es gibt neben Intersektionalität etliche weitere Begriffe, die für das Zusammenwirken von sozialen Ein- und Ausschlüssen verwendet werden: Interdependenzen, Mehrfachdiskriminierung, Mehrfachunterdrückung, Simultanität und weitere mehr.

Wie auch immer Sie es nennen – Diskriminierungsverhältnisse wirken zusammen und sie beeinflussen sich gegenseitig. Im Leben von mehrfachmarginalisierten Menschen bedeutet dies oft: Die Diskriminierungsverhältnisse verstärken sich gegenseitig.


Zeichnung erstellt nach Dennert (2022)

Welche Bedeutung haben Geschlechterverhältnisse in der Gesellschaft?

Antke Antek Engel spricht über hierarchische Verhältnisse in Hinsicht auf Geschlecht in der Gesellschaft.

Das Dreiecksverhältnis der Gesundheitsversorgung

Die Gesundheitsversorgung in Deutschland ist dadurch gekennzeichnet, dass in weiten Teilen drei Parteien zusammenarbeiten:

  • Individuen als Nutzer*innen der Versorgung: Patient*innen, Klient*innen
  • Leistungserbringer*innen in Medizin, Psychotherapie, Pflege, Rehabilitation, Palliativversorgung, Ergotherapie, Physiotherapie, Apotheken … sowie ihre Institutionen und Organisationen
  • Finanzierer der Gesundheitsleistungen, insbesondere: Krankenversicherungen

Nachfolgend können Sie sich dieses Dreiecksverhältnis auf einer Abbildung ansehen.

Leistungserbringer*innen und Kostenträger*innen

Menschen, die das Gesundheitswesen in Anspruch nehmen, haben es zum einen mit den Leistungserbringer*innen zu tun: Gesundheitsfachkräfte, wie Sie es möglicherweise sind. Zum anderen gilt es, die Kostenübernahme zu klären mit dem Finanzierer, der für diese Gesundheitsleistung die Kosten tragen soll.

In einigen Fällen erfolgt die Kostenübernahme aus eigener Tasche, wenn es sich um sogenannte Selbstzahler-Leistungen handelt oder ein Eigenanteil zu entrichten ist. Überwiegend werden Kosten jedoch im Rahmen der Pflichtversicherung von den gesetzlichen oder privaten Krankenkassen bzw. bei Beamt*innen über die Beihilfe finanziert. In Deutschland besteht für die meisten Bürger*innen eine Pflicht, sich krankenzuversichern.


Eigene Darstellung; zur Finanzierung der Gesundheitsversorgung vgl. Leidl 2023.

Diskriminierungspotential in der Gesundheitsversorgung

Aus dem dargestellten Dreiecksverhältnis ergeben sich zwei grundlegend verschiedene Möglichkeiten für Menschen, Benachteiligungen in der Versorgung zu erleben: zum einen im Kontakt mit den Leistungserbringer*innen, also im Kontakt mit Gesundheitsfachkräften und in den dortigen Institutionen und Einrichtungen; zum anderen im Kontakt mit den Organisationen und deren Angestellten, die für die Kostenübernahme zuständig sind.

Und natürlich ist es auch möglich, im Gesundheitswesen Diskriminierung zu erleben, wenn man dort beruflich tätig ist.

Spezifische Diskriminierungsrisiken für inter* Personen

Eine Studie im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Bartig et al., 2021) hat nicht notwendige geschlechtszuweisende Operationen an Kindern und Jugendlichen als zentrales Risiko für intergeschlechtlich geborene Menschen bezeichnet.

Die InTraHealth-Studie hat ergeben, dass mangelndes Fachwissen und die Nicht-Berücksichtigung ihrer Lebenssituation und geschlechtlichen Biografie zu direkten Benachteiligungen von inter* Personen in der Gesundheitsversorgung führen.

Spezifische Diskriminierungsrisiken für trans Personen

Die Situation von trans Personen sah die oben genannte Studie vor allem durch zwei Aspekte geprägt (Bartig et al., 2021): Zum einen besteht ein Pflichtkontakt mit dem Gesundheitswesen im Rahmen der Regelungen des sog. Transsexuellengesetzes, wenn Personen eine Vornamens- oder Personenstandsänderung anstreben.
Zum anderen möchten etliche trans Personen Leistungen des Gesundheitswesens im Rahmen körperlicher Transitionsmaßnahmen in Anspruch nehmen – und erleben dabei oft den Kontakt mit dem Finanzierer der Leistungen als problematisch. Hier sind in der Regel die gesetzlichen und privaten Krankenversicherer für die Kostenübernahme zuständig, die ihre Entscheidungen oft in Zusammenarbeit mit bzw. auf der Grundlage der Regelungen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) treffen.

Darüber hinaus besteht für trans Menschen das Risiko, in der Gesundheitsversorgung benachteiligt zu werden, wenn Fachwissen fehlt oder ihre Lebenssituation und geschlechtliche Biografie nicht berücksichtigt wird.

Was bedeutet das Verbot von Diskriminierung für das Gesundheitswesen?

Das Verbot von Diskriminierung gilt auch für das Gesundheitswesen. Den Stand der Diskussion erläutert Julia Zinsmeister.

Gesundheit fördern durch Verminderung von Diskriminierung

Vielleicht erinnern Sie sich an die Definitionen, die die Weltgesundheitsorganisation für Gesundheit und Gesundheitsförderung gegeben hat (WHO, 1996):
Gesundheit wird von Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt – dort, wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben.
Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen.

Sie haben in diesem Modul einiges gelesen und gehört über Diskriminierung und wie sie sich auf die Gesundheit auswirkt. Sie haben erfahren, dass es für trans und inter* Personen spezifische Diskriminierungsrisiken in der Gesundheitsversorgung gibt.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Wer Gesundheit fördern will, muss Diskriminierung abbauen.

Bitte setzen Sie sich mit den folgenden Fragen aus­ein­ander.

Bitte denken Sie an Ihren eigenen Arbeitsbereich in der Gesundheitsversorgung. Wo sehen Sie Risiken dafür, dass Patient*innen und Klient*innen Diskriminierung oder Benachteiligung erfahren?
Welche Möglichkeiten sehen Sie, daran etwas zu ändern?
Bitte klicken Sie auf „Weiter“, wenn Sie sich mit den Fragen auseinandergesetzt haben.

Wer Gesundheit fördern und verbessern will, muss Diskriminierung vermindern: in der Gesellschaft und auch in der Gesundheitsversorgung.

Lernziele:

  1. Die Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit und Gebrechen. (WHO, 1946)
  2. Soziale Ungleichheiten und Diskriminierungen können sich negativ auf die Gesundheit auswirken und zu gesundheitlicher Ungleichheit beitragen.
  3. Wer Gesundheit fördern will, muss Diskriminierungen abbauen.

Bartig, Susanne/Kalkum, Dorina/Le, Ha Mi/Lewicki, Aleksandra (2021): Diskriminierungsrisiken und Diskriminierungsschutz im Gesundheitswesen. Wissensstand und Forschungsbedarf für die Antidiskriminierungsforschung. Studie im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Berlin.

Beigang, Steffen/Fetz, Karolina/Kalkum, Dorina/Otto, Magdalena (2017): Diskriminierungserfahrungen in Deutschland. Ergebnisse einer Repräsentativ- und einer Betroffenenbefragung. Berlin.

Böhm, Luca/Kromminga, Ins A/Matthigack, Ev Blaine (2022): Inter*. Eine kurze Einführung. Berlin.

Crenshaw, Kimberle (1989): Demarginalizing the Intersection of Race and Sex: A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, Feminist Theory and Antiracist Politics. In: Feminist Legal Theory, H. 1, S. 139–167.

Dahlgren, Göran/Whitehead, Margaret (1991): Policies and strategies to promote social equity in health. Background document to WHO – Strategy paper for Europe. Stockholm: Institute for Futures Studies.

Dahlgren, Göran/Whitehead, Margaret (2021): The Dahlgren-Whitehead model of health determinants: 30 years on and still chasing rainbows. In: Public Health 199, S. 20–24.

Dennert, Gabriele (2022): Intersektionalität. Vortrag. Fachhochschule Dortmund.

Leidl, Reiner (2023): Die Finanzierung der Gesundheitsversorgung. In: Schwartz, Friedrich Wilhelm/Walter, Ulla/Siegrist, Johannes/Kolip, Petra/Leidl, Reiner/Busse, Reinhard/Amelung, Volker/Dierks, Marie-Luise (Hrsg.): Public Health. Gesundheit und Gesundheitswesen. 4. Auflage. München: Elsevier. S. 657–672.

Scherr, Albert (2017): Soziologische Diskriminierungsforschung. In: Scherr, Albert/El-Mafaalani, Aladin/Yüksel, Gökçen (Hrsg.): Handbuch Diskriminierung. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden. S. 39–58.

The Combahee River Collective (1979): A black feminist statement. In: Eisenstein, Zillah R. (Hrsg.): Capitalist patriarchy and the case for Socialist feminism. New York, N.Y.: Monthly Review Pr. S. 362–372.

World Health Organization. „International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD). ICD-11 International Classification of Diseases 11th Revision“. https://www.who.int/standards/classifications/classification-of-diseases (Abfrage 10.03.2023).

World Health Organization. „Constitution of the World Health Organization“. http://apps.who.int/gb/bd/PDF/bd47/EN/constitution-en.pdf?ua=1 (Abfrage 10.03.2023).

World Health Organization (1986): Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung, 1986.