Lernpfad 3: Akzeptanz als Grundlage der Kontaktgestaltung

Lernmodul 5: Körperliche Untersuchung und Versorgung

Bearbeitung ca. 15-20 Min.


In diesem Modul beschäftigen Sie sich mit einigen körperbezogenen Aspekten der Gesundheit bei inter* und trans Menschen. Insbesondere erfahren Sie mehr darüber, wie körperliche Untersuchungen akzeptierender gestaltet werden können. Darüber hinaus erhalten Sie grundlegende Informationen zur somatisch-medizinischen Gesundheitsversorgung.
Der Abschnitt 6 stellt grundlegende Informationen zu Hormonen und Hormontherapien dar. Er ist als Exkurs gekennzeichnet, weil hier Aspekte angesprochen werden, die nicht für alle Fachkräfte gleichermaßen relevant sind.
Dieses Modul baut direkt auf den vorhergehenden Modulen zur Anamnese auf. Falls Sie diese Module noch nicht bearbeitet haben, empfehlen wir, dies zuerst zu tun und dann hierher zurückzukehren.

Lernziele:

  1. Bei körperlichen Untersuchungen und körperbezogenen medizinischen Maßnahmen ist ein akzeptierendes und sensibles Vorgehen besonders wichtig.
  2. Manche inter* und trans Menschen nutzen spezielle Hilfsmittel für ihren körpergeschlechtlichen Ausdruck.
  3. Die Empfehlungen für Prävention und Früherkennung bestimmter Erkrankungen sollten bei inter* und trans Menschen deren medizinische geschlechtsbezogene Anamnese berücksichtigen.

Körperliche Untersuchung und körperbezogene Maßnahmen

Dieses Modul geht auf wichtige allgemeine Aspekte von medizinischen Maßnahmen ein, die direkt am Körper durchgeführt werden.

Insbesondere sind damit körperliche Untersuchungen gemeint – von der Inspektion und Palpation über manuelle Funktionsuntersuchungen bis zur apparativen Diagnostik –, die vielfach einen wichtigen Teil der Diagnostik von Beschwerden darstellen. Etliche der Anregungen dieses Moduls lassen sich allgemein auf am Körper durchgeführte medizinische Maßnahmen übertragen: auf körperliche Eingriffe, Therapien oder pflegerische Handlungen. Zusammenfassend wird in diesem Modul deshalb auch der Begriff der körperbezogenen Maßnahmen verwendet.

Unbehagen ernst nehmen

Körperbezogene Maßnahmen können bei inter* und trans Patient*innen, insbesondere wenn sie mit Entkleiden verbunden sind, ein Unbehagen hervorrufen, das über das übliche Schamgefühl hinausgeht. Das muss nicht der Fall sein, kann jedoch etwas mit gesellschaftlichen Ungleichheiten und den individuellen Erfahrungen darin zu tun haben.

So kann ein verstärktes Unbehagen auf Seiten von Patient*innen die Folge unguter Vorerfahrungen mit Behandler*innen oder stark belastender biografischer Ereignisse (z. B. Gewalterfahrungen) sein. Es kann auch im Zusammenhang stehen mit einer Dysphorie, die in Bezug auf die eigene anatomische, geschlechtliche Körperlichkeit empfunden wird. Darüber hinaus können Sorgen bestehen, dass die trans- bzw. intergeschlechtliche Lebenssituation dabei auch Dritten offenbar wird, die Patient*innen eigentlich nicht darüber in Kenntnis setzen wollten. Und schließlich haben einige Patient*innen die – durchaus berechtigte – Sorge, dass Behandler*innen sich durch die trans- bzw. intergeschlechtliche Körperlichkeit vom eigentlichen Behandlungsanliegen ablenken lassen könnten oder irritiert reagieren könnten.

Gesundheitsfachkräfte haben Möglichkeiten, körperbezogene Maßnahmen potenziell weniger belastend und sicherer zu gestalten.

Eine möglichst sichere Umgebung schaffen

Zu einer sichereren Umgebung für körperbezogene Maßnahmen gehört die Abschirmung des Settings z. B. durch eine geschlossene Türe oder einen Sichtschutz. Hier ist daran zu denken, dass auch bestimmte apparative Diagnostik wie ein EKG oder ein abdominaler Ultraschall zur Exposition von beispielsweise Narben führen können, die für geschlechtsangleichende Maßnahmen typisch sind (z. B. Mastektomie-Narben am Oberkörper bei trans Männern).

Es wird empfohlen (Wolf Gould, 2020), Patient*innen immer proaktiv zu fragen, wie sich Untersuchungen möglichst gut gestalten lassen: „Kann ich etwas tun, damit Sie sich damit wohler fühlen?“ oder „Ich frage mich, wie die Untersuchung für Sie so wenig belastend wie möglich sein kann. Gibt es etwas, was ich tun kann?“

Gynäkologische Betreuung von inter* und trans Menschen

Dr. Kuhlmann-Weßeling, Gynäkologin, erläutert, dass körperliche Untersuchungen von inter* und trans Menschen besondere Sensibilität erfordern.

Sprechen über Körper

Es ist im Rahmen einer körperlichen Untersuchung bzw. bei einem körperlichen Eingriff zumeist üblich, die einzelnen Schritte anzukündigen und zu kommentieren, was als nächstes geschehen wird. Dies wahrt und stärkt Autonomie von Patient*innen und hilft zu vermeiden, dass Untersuchungen als übergriffig erlebt werden.

Es erscheint sinnvoll, vorher bei Patient*innen zu erfragen, wie diese Kommunikation gestaltet werden soll: Wie möchten Personen, dass z.B. bei einer gynäkologischen oder urologischen Untersuchung die einzelnen Schritte erläutert werden?

Anatomie und Begriffe

Manche inter* und trans Menschen erleben bestimmte Begriffe für primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale als für sich passender als andere Begriffe. Manche Personen lehnen für sich Begriffe ab, mit deren geschlechtlicher Aussage sie sich nicht identifizieren.
Eine grundlegende Möglichkeit für Behandler*innen ist es, möglichst neutrale Begriffe zu verwenden, die nicht mit einem bestimmten Geschlecht direkt in Verbindung gebracht werden: „Oberkörper“ (statt: Brust) oder „Genitalien“ (statt Penis/Hoden oder Vulva/Vagina). Wenn spezifischere Begriffe erforderlich sind für die Behandlung oder Untersuchung, empfiehlt es sich, zu fragen, welche Worte sich Patient*innen zur Bezeichnung ihrer Geschlechtsmerkmale wünschen.

Nach den gewünschten Bezeichnungen zu fragen, ist auch eine sinnvolle Möglichkeit, wenn Gesundheitsfachkräfte körperliche Merkmale benennen möchten, für die ihnen (affirmative, positiv konnotierte) Fachbegriffe fehlen. Beispielsweise variieren die Begriffe, die Menschen nach maskulinisierenden Operationen (z. B. Penoidaufbau), feminisierenden Operationen (z. B. Vulvaplastik) oder Hormontherapien für ihren Genitalbereich verwenden.

Professionelle Selbstreflexion

Auch Gesundheitsfachkräfte haben Emotionen und Affekte, wenn sie Untersuchungen oder Behandlungen am Körper von Patient*innen vornehmen. Auch Fachkräfte können sich unwohl fühlen oder auch Neugier bei sich wahrnehmen, wenn sie inter* bzw. trans Patient*innen untersuchen und behandeln.

Dies zu erkennen und einen konstruktiven Umgang mit den eigenen Gefühlen und Affekten zu finden, ist eine wichtige Anforderung der professionellen Selbstreflexion im Sinne einer guten Behandlungsqualität. Andernfalls könnten Fachkräfte körperliche Untersuchungen vermeiden, inadäquat durchführen oder anderweitig zu einer Verschlechterung des Behandlungsbündnisses mit Patient*innen beitragen. (Wolf-Gould, 2020)

Situation einordnen – Zustimmung einholen

Etliche inter* und trans Menschen haben bereits erlebt, dass an ihnen unnötige Untersuchungen oder Maßnahmen durchgeführt wurden, und sind entsprechend sensibilisiert für diese Möglichkeit. (Whittle, 2008; Chisolm-Straker, 2017)
Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, auch Standarduntersuchungen zu erklären und für Patient*innen einzuordnen. Dies beugt Missverständnissen vor und fördert die Versorgungsqualität.

Hierzu folgendes Beispiel: In einer Interviewstudie berichtete ein trans Patient, der mit Beschwerden in der oberen Wirbelsäule nach einem Unfall in der Notaufnahme untersucht wurde, von einer ihn nachhaltig irritierenden Untersuchung des Beckens. Diese war ärztlicherseits ohne weitere Erläuterung durchgeführt worden. Der Patient fragte sich noch zum Zeitpunkt des Studieninterviews, ob diese Untersuchung medizinisch notwendig gewesen war oder durch ärztliche Neugier hinsichtlich der Transgeschlechtlichkeit motiviert war.
Höchstwahrscheinlich – so kommentieren die Autor*innen der Studie – handelte es sich bei der Untersuchung um eine routinemäßige Prüfung der Stabilität des Beckens nach einem Unfallgeschehen. Weil jedoch keine Einordnung oder Erläuterung erfolgte, stellten sich beim Patienten Befürchtungen und Irritationen ein, die sehr einfach hätten vermieden werden können. (Chisolm-Straker, 2017)

Wenn relevant: körpergeschlechtsbezogene medizinische Anamnese vorher klären

Wenn es für die Untersuchung oder medizinische Maßnahme erforderlich ist, das Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein bestimmter Organe zu kennen, sollten diese Fragen vor einer Untersuchung oder einem Eingriff geklärt werden.

Menschen, die geschlechtsaffirmative medizinische Maßnahmen in Deutschland in Anspruch genommen haben oder aktuell nutzen, verfügen in der Regel über etliche Vorbefunde und entsprechende ärztliche Schreiben. Für die Kostenübernahme durch den Versicherer und auch für die Klärung möglicher Kontraindikationen zu einer Hormontherapie oder zu chirurgischen Eingriffen besteht die Empfehlung, prätherapeutisch die gesundheitliche Situation umfangreich zu klären (Meyer, 2020). Ärzt*innen in der hausärztlichen Versorgung können diese Überleitungsdokumente zu ihren Unterlagen nehmen, wenn die Patient*innen damit einverstanden sind.

An Anamnese angepasste Empfehlungen für Prävention und Früherkennung

Die medizinische Anamnese hinsichtlich körpergeschlechtsbezogener Maßnahmen und Eingriffe ermöglicht auch die individuelle Gestaltung von Früherkennungs- und Präventionsmaßnahmen.

Dies kann beispielsweise in der hausärztlichen Versorgung von Bedeutung sein, wenn es um Beratung von Patient*innen zu Prävention und Früherkennung von Krebserkrankungen, kardiovaskulären Erkrankungen oder auch Stoffwechselerkrankungen (wie Diabetes mellitus Typ II) geht.

Für inter* und trans Menschen gibt es keine evidenzbasierten allgemeinen Empfehlungen für Screening- und Früherkennungsmaßnahmen maligner Tumoren der Brust oder der Genitalien. Empfehlungen werden individuell auf der Basis der vorhandenen Organe und der Vorgeschichte an operativen und medikamentösen Therapien gestellt. (Clark, 2016).

Wie (nicht) umgehen mit Fragen im Rahmen von Untersuchung und Behandlung?

„Muss ich das wissen?“, ist eine wichtige Frage an sich selbst in der fachgerechten Versorgung von inter* und trans Patient*innen.

Anamnese körpergeschlechtsbezogener Maßnahmen

In manchen Situationen kann es sinnvoll und erforderlich sein, einzelne Aspekte der körpergeschlechtlichen Situation zu klären oder auch eine umfangreichere Anamnese dazu zu erheben. Die WPATH (World Professional Association für Transgender Health) (Coleman, 2022) empfiehlt in ihren Leitlinien, dass Fachkräfte, die die medizinische Grundversorgung leisten, eine ausführliche Anamnese erheben und diese auch aktuell halten. In der bundesdeutschen Versorgung betrifft diese Empfehlung insbesondere die hausärztliche Versorgung.

In anderen Situationen kann es sein, dass nur wenige oder keine Angaben zur medizinischen körpergeschlechtlichen Anamnese benötigt werden.

Zur vollständigen Anamnese körpergeschlechtsbezogener Maßnahmen gehören insbesondere Angaben zu:

  • aktuelle körpergeschlechtliche Situation (gegenwärtig vorhandene Organe)
  • erfolgte operative Eingriffe und deren Zeitpunkt
  • hormonelle Therapiemaßnahmen (Beginn, Dauer, Wirkstoff)
  • geschlechtsangleichende Maßnahmen, die außerhalb medizinischen Settings angewandt wurden/werden (z. B. Hormonpräparate aus nicht-medizinischen Quellen)
  • Zufriedenheit mit der aktuellen Situation und ggfs. aktuell bestehende Wünsche und Bedarfe

Etliche trans Menschen, auch ältere, haben eine Vorgeschichte mit nicht-medizinischen Quellen von geschlechtsangleichenden Maßnahmen (Clark, 2016). So war die Zugänglichkeit medizinischer Maßnahmen für trans Menschen in der Vergangenheit stellenweise stark eingeschränkt, so dass Personen auf Angebote außerhalb der medizinischen Versorgung zurückgreifen mussten. Auch danach sollte gefragt werden.

Nicht alle Maßnahmen waren erwünscht

Die medizinische Anamnese der körpergeschlechtlichen Situation erfordert – wie auch bereits in den vorangegangen Teilmodulen in diesem Lernpfad angesprochen – Sensibilität und Offenheit.

Einige heute erwachsene inter* Menschen haben in jungen Jahren operative Eingriffe erlebt, denen sie nicht zugestimmt haben und die langfristige negative Auswirkungen auf ihre Gesundheit, Sexualität und Fortpflanzungsfähigkeit haben.

Auch einige trans Menschen, die schon vor einiger Zeit einen Personenstandswechsel nach dem „Transsexuellengesetz“ in Deutschland durchgeführt haben, haben für die rechtliche Transition möglicherweise Eingriffe durchführen lassen, die sie ohne das TSG nicht in Anspruch genommen hätten. So war es bis 2011 erforderlich, sich operativ sterilisieren zu lassen, um den geschlechtlichen Personenstand zu verändern.

In beiden Situationen können sich durch den Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit auch Auswirkungen auf die Familienplanung ergeben haben, die von dem Menschen nicht erwünscht waren oder später bedauert wurden.

Anamnese hinsichtlich von Risikofaktoren

Als weitere Grundlage für individuelle medizinische Empfehlungen im Rahmen der primären Prävention (Vorbeugung) und der sekundären Prävention (Früherkennung) von körperlichen Erkrankungen dienen weitere Informationen, die im Rahmen der Anamnese erhoben werden.

Zu denken ist hier insbesondere an das Vorliegen chronischer Infektionen (HIV, HPV u.a.) und Faktoren mit Einfluss auf die kardio- und zerebrovaskuläre Gesundheit oder Osteoporose (Bewegungsverhalten, Ernährung, Rauchen). Empfohlen wird, dieselben Risikofaktoren zu erfassen, wie sie auch für nicht-trans und nicht-inter* Patient*innen erfasst werden.

Zustimmung einholen – Eingangsfrage stellen

Für körperliche Untersuchungen oder Eingriffe ist – wie in jeder Behandlungssituation – die Zustimmung der Patient*in erforderlich. In Notfallsituationen wird die Einwilligung vermutet, z. B. wenn ein Mensch bewusstlos ist. In manchen Situationen, z. B. bei einer Blutentnahme, drücken Patient*innen implizit ihre Einwilligung aus, indem sie den Arm frei machen. In vielen Situationen erfolgt die Zustimmung explizit, teils auch mit schriftlicher Dokumentation.

Das Setting sicher zu gestalten, hat eine besondere Bedeutung für körperbezogene Maßnahmen. Neben einem ausreichenden Sichtschutz zur Wahrung der Privatsphäre kann insbesondere bei Ganzkörper-Untersuchungen ein schrittweises Vorgehen sinnvoll sein, wie es mittlerweile häufig bereits zum allgemeinen Standard geworden ist:

„Ich werde jetzt die körperliche Untersuchung durchführen. Hierzu wird es auch nötig sein, dass Sie sich entkleiden [bis auf die Unterwäsche, bis auf die Unterhose, vollständig einschließlich der Unterwäsche …]. Das kann schrittweise passieren: Zuerst bleiben Sie bekleidet, dann untersuche ich Ihren entkleideten Oberkörper und abschließend den entkleideten Unterkörper. Sie werden also nie ganz entkleidet sein. Gibt es etwas, was ich wissen sollte über Sie und Ihren Körper, bevor wir anfangen?“

Ablauf und Abschluss einer Situation

Gerade in Situationen, die möglicherweise Schamgefühle berühren, erscheint es sinnvoll, besonders auf die eigene Gestik, Mimik und nonverbalen Signale in der Kommunikation zu achten. Es geht darum, Offenheit und ein Gefühl von professioneller Normalität zu vermitteln.
Manchmal fällt während einer Untersuchung etwas auf, wozu Nachfragen erforderlich sind. Hier kann es sinnvoll sein, diese nach der körperlichen Untersuchung und nicht währenddessen zu stellen. Wenn möglich sollte hier abgewartet werden, bis Patient*innen sich wieder bekleidet haben.

Zum Abschluss einer körperbezogenen Maßnahme gehört in etlichen Settings, dass Patient*innen der aktuelle Befund mitgeteilt wird und das weitere Vorgehen besprochen wird.

Zum Ende der Begegnung erfolgt eine Verabschiedung.

Übersicht zum Ablauf

Hier sehen Sie nochmals in der Übersicht den grundlegenden Ablauf als Vorschlag.

Dieser Vorschlag kann und soll an die jeweilige Versorgungssituation angepasst werden, in der Sie als Fachkraft tätig sind:

  • Grundlegend: Berufliche Selbstreflexion
  • Vorgehen:
    • Haben Sie alle notwendigen Informationen? à ggfs. Anamnese vervollständigen
    • Möglichst sicheren Rahmen schaffen: Sichtschutz, Schutz der Privatsphäre etc.
    • Erklären und Einordnen der Untersuchung (der Maßnahme): Was passiert? Wozu erforderlich?
    • Offene Frage stellen: Gibt es Anliegen hinsichtlich des Vorgehens? – Absprachen treffen, wie die Maßnahme/Untersuchung so wenig belastend wie möglich erfolgen kann
    • Einverständnis einholen
    • Gemeinsame Sprache etablieren: Welche Begriffe nutzen?
    • Wenn möglich: schrittweises Vorgehen bei körperlicher Entkleidung
    • Auf eigene nonverbale Kommunikation achten
    • Potenziell sensible Nachfragen möglichst nach der Untersuchung stellen
    • Abschluss: Eine Verabschiedung und Information zum weiteren Vorgehen schließen die Situation ab.

Bitte setzen Sie sich mit den folgenden Fragen aus­ein­ander.

Sie haben in den bisherigen Abschnitten einige Hinweise und Anregungen erhalten, wie Untersuchungen oder andere körperbezogene medizinische Maßnahmen für trans und inter* Personen bedarfsgerechter gestaltet werden können.

Was davon lässt sich auf Ihre spezifische Arbeitssituation übertragen? Welche Anregungen erscheinen Ihnen für Ihre Arbeitspraxis hilfreich? Welche weiteren Aspekte fallen Ihnen in Bezug auf Ihre eigene Arbeitspraxis ein, die bisher nicht angesprochen wurden?

Wenn möglich, machen Sie sich Notizen.

Bitte klicken Sie auf „Weiter“, wenn Sie sich mit den Fragen auseinandergesetzt haben.

Den geschlechtlichen Selbstausdruck respektieren

Menschen sind bestrebt, ihren persönlichen Körperausdruck und körperlichen Nahraum so zu gestalten, wie es ihren Bedürfnissen entspricht. Von der Frisur über die Kleidung bis hin zu Auftreten und Körperhaltung versuchen Menschen, sich einen Raum zu schaffen, in dem sie sich wohl fühlen und der ihnen entspricht.

Dieses Bedürfnis verdient Respekt und Unterstützung in der jeweils individuellen Umsetzung, insbesondere in Situationen, in denen Menschen aufgrund gesundheitlicher Belange besonders verletzbar oder besonders auf andere angewiesen sind.

Spezifische Hilfsmittel und Kleidung

Neben handelsüblicher Kleidung, die dem jeweils eigenen geschlechtlichen Ausdruck entspricht, nutzen manche inter* oder trans Personen spezielle Kleidungsstücke oder Hilfsmittel, um ihre Körperlichkeit für sich zu gestalten.

Nicht alle trans oder inter* Menschen nutzen die hier aufgeführten Hilfsmittel. Darüber hinaus gibt es auch Menschen, die nicht trans bzw. inter* sind, die manchmal entsprechende Hilfsmittel einsetzen. Für Gesundheitsfachkräfte ist es wichtig, diese Hilfsmittel zu kennen und grundlegend von deren Existenz zu wissen.

Auf den nachfolgenden Grafiken sehen Sie einige Hilfsmittel, die von einigen transfemininen Personen (trans Frauen) oder einigen transmaskulinen Personen (trans Männern) genutzt werden.

Vor körperlichen Untersuchungen oder Eingriffen ist es gegebenenfalls erforderlich, eine geschützte Situation zu schaffen, damit Patient*innen ihre Hilfsmittel ablegen können, ohne Gefahr zu laufen, dafür beschämt zu werden.

In Pflegesituationen kann es sein, dass Ihre Unterstützung beim Anlegen der Kleidung oder Hilfsmittel erforderlich und gewünscht ist.

Hilfsmittel für trans Frauen und transfeminine Personen

Brustepithesen, auch als Brustprothesen bezeichnet, bestehen zumeist aus Silikon und werden entweder direkt am Oberkörper mit einem Haftmittel befestigt oder in BHs oder andere Oberkörperbekleidung eingelegt. Oberkörperbekleidung mit Einlegetaschen für Epithesen gibt es z. B. als Epithesen-BH oder als Epithesen-Top. Diese Hilfsmittel dienen dazu, ein als weiblich wahrgenommenes Brustprofil zu erzeugen.

Tucking bezeichnet das Verstecken von Penis und Hoden im Schritt, damit deren Wölbung durch die Kleidung weniger wahrgenommen werden kann. Eine Möglichkeit ist es, den Penis im Dammbereich nach hinten zu ziehen und die Hoden in den Leistenkanal zu drücken. Damit die Genitalien diese Lage beibehalten, werden sie mit Hilfsmitteln wie spezifischer Unterwäsche oder Klebe-Pads fixiert. Es gibt auch Unterwäsche, die diese Funktionalität mit dem Aussehen einer künstlichen Vagina/Vulva verbindet.

Davon zu unterscheiden sind Vulva/Vagina-Epithesen (auf der nachfolgenden Abbildung nicht enthalten), die individuelle Spezialanfertigungen aus dem Bereich der medizinischen Epithetik darstellen.


Hilfsmittel zur Unterstützung des körperlichen Ausdrucks für (trans) Frauen.

Hilfsmittel für trans Männer und transmaskuline Personen

Als Packing (oder: Stuffing) wird bezeichnet, wenn durch Hilfsmittel, sog. Packer (oder: Stuffer), die Wölbung unter der Kleidung im Genitalbereich vergrößert wird. Hierfür können verschiedene Hilfsmittel genutzt werden, die mehr oder weniger das Aussehen eines Penis ohne/mit Nachbildung von Hoden haben. Einige werden direkt mittels eines Haftmittels am Körper befestigt, andere in Unterbekleidung eingelegt.

Davon zu unterscheiden sind Penisepithesen. Diese werden individuell als Hilfsmittel angefertigt und umfassen neben der Optik auch Funktionalitäten beim Wasserlassen sowie im Rahmen von Sexualität.

Als Hilfsmittel für das Wasserlassen im Stehen werden teilweise Urinierhilfen genutzt, die unterschiedliche Formen haben können und aus unterschiedlichen Materialien bestehen können. Einige werden gesäubert und wiederverwendet, andere sind zum einmaligen Gebrauch bestimmt.

Im Oberkörperbereich nutzen etliche trans Männer, die keine oder noch keine Mastektomie hatten, sogenannte Binder. Hierbei handelt es sich um Hilfsmittel, die die Brüste unter der Kleidung abflachen. Dies wird auch als „Binding“ bezeichnet. Hierdurch soll ein als männlich wahrgenommenes Brustprofil erreicht werden. Zum Einsatz kommen verschiedene Hilfsmittel zur Kompression im Oberkörperbereich, wie spezifische Kleidung, enganliegende Sport-BHs, Sportbekleidung oder elastische Binden.


Hilfsmittel zur Unterstützung des körperlichen Ausdrucks für (trans) Männer.

Notfall im häuslichen Bereich

Panajotis Neuert, Pflegefachkraft, schildert eine diskriminierende Situation bei einem häuslichen Notfall und plädiert für einen respektvollen Umgang mit dem geschlechtlichen Selbstausdruck aller Menschen.

Inhalt des Lernabschnitts

Im Folgenden wird ein kurzer, zusammenfassender Überblick zu geschlechtsaffirmativen Hormontherapien gegeben. Der Abschnitt richtet sich an Interessierte, in deren Ausbildung diese Fragen nicht bereits ausführlicher behandelt worden sind. Alle Informationen beziehen sich auf Erwachsene.

Für mehr Einzelheiten und auch für biochemisches und physiologisches Grundlagenwissen, das hier aufgrund der Begrenzung des Umfangs nicht erläutert werden kann, wird auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen.

Begriff: Hormone

Hormone sind biochemische Stoffe, die von bestimmten Zellen im Körper gebildet werden und über den Körperkreislauf an ihren Wirkort gelangen. An den Zielzellen entfalten sie spezifische Effekte. Die Zielzellen können im Körper mehr oder weniger entfernt von den hormonproduzierenden Zellen liegen.

Hormone sind für eine Vielzahl von Vorgängen im menschlichen Körper unerlässlich. Im Kontext dieser Lernplattform sind mit „Hormone“ sogenannte Sexualhormone gemeint, falls es nicht explizit anders gekennzeichnet ist.

Begriff: Sexualhormone

Als Sexualhormone werden Hormone bezeichnet, die mit der Ausprägung der körperlichen geschlechtlichen Merkmale, der Sexualfunktion und der Funktion und Entwicklung der Gonaden (Ovar, Hoden) im Zusammenhang stehen. Sie sind beteiligt an einer Vielzahl gesundheitlicher Abläufe und haben zentrale Funktionen im gesamten Organismus, z.B. für Stoffwechsel, Gefäße, Knochen u.v.m.

Zu den Sexualhormonen gehören beispielsweise GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon), FSH (Follikel-stimulierendes Hormon), LH (Luteinisierendes Hormon), Estrogene, Gestagene und Androgene (z. B. Testosteron).

Abgrenzung: Hormonersatztherapie und Hormontherapie

Einigen inter* Menschen wurden Organe und Gewebe entfernt, die Sexualhormone produzieren. Wenn die Hormone, die hier gebildet worden wären, nun durch Medikamente ersetzt werden (müssen), spricht diese Lernplattform von Hormonersatztherapie. Allgemein wird von „Hormonersatztherapie“ gesprochen, wenn Hormone ersetzt werden, die physiologisch im Körper eines Menschen vorhanden wären und z. B. nach dem Entfernen eines Organs nun fehlen.

Hormontherapie bezieht sich im Kontext dieser Lernplattform auf die Anwendung von Sexualhormonen mit dem Ziel, den persönlichen Körperausdruck besser an das anzugleichen, was eine Person als passend für sich und ihren geschlechtlichen Ausdruck erlebt.

Nicht immer lassen sich beide Situationen klar voneinander abgrenzen, so dass hier auch die Begriffe Hormon(ersatz)therapie oder geschlechtsaffirmative Hormonbehandlung genutzt werden. Damit soll ausgedrückt werden, dass es verschiedene Indikationen und Therapieziele geben kann beim Einsatz von Sexualhormonen.

Wenn es erforderlich ist, jenseits der aktuellen Medikation auch die Indikation und die Therapieziele zu kennen, müssen diese von Patient*innen erfragt werden: Nicht jede Person, die Sexualhormone nimmt, ist trans – nicht jede Person, die Sexualhormone nimmt, ist inter*.
Und nicht jeder inter* bzw. trans Mensch nutzt Sexualhormone.

„Maskulinisierende“ und „feminisierende“ Hormontherapie

Bestimmte Sexualhormone haben körperbezogene Wirkungen, die als „feminisierend“ bzw. „maskulinisierend“ (auch: „virilisierend“) bezeichnet werden. Gemeint sind damit insbesondere Einflüsse auf ein spezifisches Muster der Verteilung von Körperfett und -muskulatur, auf das Brustgewebe und die Genitalien, die Körper- und Kopfbehaarung sowie die Stimmlage.

Diese und weitere körperliche Aspekte nehmen Menschen in Bezug auf sich selbst und bei anderen zumeist als eher „weiblich/feminin“, eher „männlich/maskulin“ oder auch als „androgyn“ wahr. Damit kommt diesen Aspekten und den daran beteiligten Sexualhormonen in der Verkörperung von Geschlecht eine gewisse Bedeutung zu.

Therapiebeginn

Der Beginn einer geschlechtsaffirmativen Hormontherapie ist eine individuelle Entscheidung, in der die möglichen Vorteile und Nachteile für die einzelne Person abgewogen werden. (Meyer, 2020)

Wie für alle Therapien in der Medizin so gilt auch für hormonelle Behandlungen, dass nicht immer alle erhofften Effekte eintreten und unerwünschte Wirkungen und Komplikationen möglich sind.

Auch wenn es mittlerweile etliche Jahre an klinischer und persönlicher Erfahrung mit diesen Therapien gibt, liegen aktuell noch nicht zu allen Behandlungsfragen ausreichende Erkenntnisse vor, um sie vollumfänglich zu verstehen. Weitere Forschung im Sinne der Gesundheitsförderung für inter* und trans Menschen ist erforderlich.

Beginn einer Hormon(ersatz)therapie

Der Beginn einer Hormon(ersatz)therapie erfolgt in Deutschland in der Regel im Rahmen einer entsprechenden fachärztlichen und spezialisierten Behandlung, z. B. durch erfahrene Endokrinolog*innen. Sie nehmen auch Anpassungen der Medikation vor, falls die im weiteren Verlauf erforderlich werden.

Teilweise sind bei diesen Spezialist*innen die Anreisewege und auch die Wartezeiten für Patient*innen sehr lang.

Vor Therapiebeginn wird nicht nur die Indikation gestellt, sondern es werden auch die körperliche Gesundheit und mögliche körperliche Risikofaktoren geklärt. Wegen der Auswirkungen auf die Fertilität soll mit Patient*innen vor Therapiebeginn über Möglichkeiten des Fertilitätserhalts gesprochen werden. (Meyer, 2020)

Fortführung bestehender Therapien

Das Weiterführen ihrer Hormon(ersatz)therapien organisieren inter* bzw trans Menschen zumeist wohnortnäher in Zusammenarbeit mit allgemeinmedizinischen oder Fachärztinnen weiterer Disziplinen. Die Empfehlungen zur Medikation und auch zu Kontrolluntersuchungen (Blutbild etc.) sind im Arztbrief enthalten, den Patient*innen als Überleitungsdokument erhalten.

Auch im stationären Bereich können sich Fragen zur Fortführung einer Behandlung stellen, wenn Menschen aufgenommen werden, die Sexualhormone erhalten bzw. nutzen.

Für bestehende Hormontherapien bei trans Patient*innen empfiehlt die WPATH (Coleman, 2022) allen Einrichtungen der Gesundheitsversorgung, diese in der bestehenden Form fortzuführen, solange Patient*innen mit den Effekten zufrieden sind, sich die Lebensqualität verbessert hat und keine medizinischen Kontraindikationen vorliegen. Die WPATH weist explizit daraufhin, dass diese Empfehlung auch für psychische Krisensituationen gilt. Zu denken ist hier z. B. an eine Akutaufnahme in die stationäre Psychiatrie.
Hormonersatztherapien werden aufgrund fehlender Organe oder Organfunktionen durchgeführt und somit in der Regel über die gesamte Lebensdauer.

Wirkungen und mögliche unerwünschte Wirkungen von Hormontherapien

Für Details zu Hormontherapien wird auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen, auf die sich auch diese Zusammenfassung stützt (Coleman, 2022; Meyer,2020).

Für feminisierende wie für maskulinisierende Therapien gilt, dass sie in Studien bei trans Menschen zu einem verbesserten körperlichen Wohlbefinden, einem Rückgang psychischer Belastungen hinsichtlich der eigenen Körpergeschlechtlichkeit und zu einer Abnahme depressiver Symptome geführt haben. Sie fördern die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Menschen, die sie nutzen möchten. (vgl. Meyer, 2020)

Wirkungen einer feminisierenden Hormontherapie

Die Behandlung erfolgt mit Estradiol (einem Östrogen), zumeist in Kombination mit Medikamenten, die den körpereigenen Androgenen entgegenwirken (Antiandrogene). Estradiol wird oral oder transdermal (als Gel oder Pflaster) eingesetzt, Antiandrogene oral oder als subkutane Injektion. Antiandrogene sind nicht erforderlich, falls die Hoden entfernt wurden, z. B. im Rahmen einer geschlechtsangleichenden Operation. (Meyer, 2020)

Beginnend nach wenigen Monaten mit einem maximalen Effekt nach zumeist einigen Jahren erfolgt eine Zunahme des Brustvolumens, eine Umverteilung von Fett- und Muskelmasse, Veränderung von Hauterscheinungsbild und Abnahme der Körper- und Gesichtsbehaarung, Veränderungen der Libido, Abnahme von Hodenvolumen, Spermienproduktion, erektiler Funktion.

Falls eine Person die Hormontherapie wieder absetzt, bildet sich ein vergrößertes Brustvolumen nicht mehr zurück. Die übrigen Veränderungen können teilweise oder vollständig reversibel sein.
Mögliche Komplikationen bestehen in venösen Thrombembolien. Berichtet wird auch von einem möglicherweise erhöhten Risiko von Minderdurchblutungen im Gehirn (zerebrale Ischämie) und Veränderungen der Knochendichte im Sinne einer Osteoporose. Die Therapie führt möglicherweise zu einer irreversiblen Infertilität.

Vor geplanten operativen Eingriffen empfiehlt die WPATH wegen des erhöhten Thrombembolie-Risikos, rauchenden Patient*innen zu empfehlen, das Rauchen aufzugeben (Coleman, 2022). Eine Empfehlung, vor planbaren Operationen eine Hormontherapie zwei Wochen zu pausieren, sollte im Bedarfsfall zusammen mit der Patientin sorgfältig erwogen werden (Meyer, 2020).

Wirkungen einer maskulinisierenden Hormontherapie

Maskulinisierende Hormontherapien erfolgen mit Testosteron (einem Androgen), das transdermal als Gel oder intramuskulär als Injektion verabreicht wird (Meyer, 2020; Coleman, 2022). Gelegentlich wird zusätzlich die Menstruationsblutung durch ein orales Gestagen-Präparat unterdrückt.

Die Effekte beginnen nach wenigen Monaten mit einem maximal erkennbaren Effekt nach einigen Jahren. Folgende dauerhaft Veränderungen sind zu erwarten (Rainbow Health, 2021; Meyer, 2020):

  • Tiefere Stimmlage
  • Zunahme der Gesichts- und Körperbehaarung, Verdickung der Haarstruktur an Gesicht und Körper
  • Möglicherweise Verdünnung der Kopfbehaarung an den Schläfen und dem Hinterkopf bis hin zum kompletten Verlust der Kopfbehaarung
  • Zunahme der Größe der äußeren Klitoris

Folgende Effekte sind zu erwarten, die sich erneut verändern oder zurückbilden können, wenn eine Person eine Testosteron-Therapie wieder beendet:

  • Aussetzen oder deutliche Abnahme der Menstruationsblutung
  • Veränderung der Masse und des Verteilungsmusters von Körperfett (Gewichtszunahme, Umverteilung von Hüften/Oberschenkeln/Glutealregion in die Abdominalregion) und Muskulatur (Zunahme der Gesamtmuskelmasse)
  • Veränderung des Hauterscheinungsbildes, teilweise Akne, Veränderung des Körpergeruchs
  • Veränderungen an der Libido

Eine Erythrozytose (erhöhte Anzahl roter Blutkörperchen) mit erhöhtem Hämatokrit ist möglich. Diese – und ggfs. andere – Veränderungen in den Laborwerten erfordern eine Rücksprache mit der Fachärzt*in hinsichtlich der Frage der Dosisanpassung der Hormontherapie.

Die Fertilität kann dauerhaft, auch nach einem Absetzen der Medikamente, beeinträchtigt sein.

Die Autor*innen einer Übersichtsarbeit (Meyer, 2020) betonen, dass eine alleinige Testosterontherapie bei vorhandenem Uterus und Ovarien keine sichere Methode der Kontrazeption darstellt. Zur Verhütung einer Schwangerschaft bei Sexualkontakten mit zeugungsfähigen Personen werden Barrieremethoden, orale Gestagene oder Intrauterinpessare empfohlen.

Verlaufskontrolle der Effekte einer Hormontherapie

Nach der Einleitung einer Hormon(ersatz)therapie werden regelmäßige klinische und laborchemische Untersuchungen im weiteren Verlauf empfohlen. Hierdurch soll zum einen sichergestellt werden, dass die gewünschten Effekte möglichst erreicht werden und unerwünschte Effekte möglichst minimiert werden. Die Dosis der Medikamente soll hier möglichst optimal angepasst werden.

Die Empfehlungen für die weitere Betreuung in der allgemeinmedizinischen oder generell der nicht-endokrinologischen Versorgung können den ärztlichen Überleitungsbriefen entnommen werden. Hinsichtlich der allgemeinen Laborwerte wird beispielsweise die regelmäßige Kontrolle von Blutbild, Leberwerten und Lipidwerten empfohlen. (Meyer, 2020)

Gesundheitsberatung gemäß Risikofaktoren

Wie bei allen Menschen in hausärztlicher Behandlung empfiehlt es sich, die Anamnese aktuell zu halten. Auch gesundheitlich relevante Faktoren wie Körpergewicht bzw. Essverhalten, Blutdruck, Rauchen, Substanzkonsum, Bewegungsverhalten und Sport gehören dazu.

Eine Gewichtszunahme kann sowohl mit maskulinisierender wie mit feminisierender Hormontherapie auftreten. Ein Rauchstopp sollte allen rauchenden Menschen – auch allen geschlechtsnonkonformen Menschen – empfohlen werden. Zur Vorbeugung einer Osteoporose – insbesondere bei einer feminisierenden Therapie – wird regelmäßige Bewegung empfohlen.

Krebsfrüherkennung bei trans Frauen

Das Risiko für Brustkrebs (Mammakarzinom) hängt von der hormonellen Situation und vom Volumen des Brustgewebes ab. Es wird empfohlen, dass trans Frauen, die eine feminisierende Hormontherapie machen, den allgemeinen Empfehlungen der Brustkrebsfrüherkennung für Frauen folgen.

Trans Frauen haben eine Prostata. Diese wird auch bei einer geschlechtsangleichenden Genitaloperation nicht entfernt. Allen trans Frauen wird empfohlen, im Rahmen der Früherkennung des Prostatakarzinoms an den klinischen Untersuchungen teilzunehmen, die für Männer mit Prostata angeboten werden.

Krebsfrüherkennung bei trans Männern

Auch für trans Männer gilt, dass das Risiko für Brustkrebs (Mammakarzinom) von der hormonellen Situation und der Größe des Brustgewebes abhängt. Für trans Männer, die keine Mastektomie hatten, wird empfohlen, dass sie die Angebote zur Brustkrebsfrüherkennung in dem Umfang nutzen, der Frauen angeboten wird.

Auch nach Mastektomie kann Restgewebe der Brust verbleiben (Aufschluss kann hier der OP-Bericht geben). Testosteron wird teilweise zu Estrogenen verstoffwechselt, so dass prinzipiell ein Risiko für hormonabhängige Tumoren weiter gegeben ist. Menschen sollten auch in dieser Situation daran denken, dass Veränderungen im Bereich der Brust auch ein Zeichen für ein Mammakarzinom sein könnten (Clark 2016), auch bei (trans) Männern – und im Bedarfsfall nicht zögern, eine entsprechende Diagnostik aufzusuchen.

Hinsichtlich eines Cervix-Karzinoms gilt für trans Männer, die einen Uterus haben, die Empfehlung, gynäkologische Früherkennung in dem Umfang zu nutzen, wie sie Frauen mit Uterus empfohlen wird.

Barrieren zur Teilnahme an Krebsfrüherkennung abbauen

Die InTraHealth-Studie hat trans und inter* Menschen dazu befragt, inwiefern sie Früherkennungsuntersuchungen für bestimmte Krebserkrankungen nutzen. Es zeigte sich, dass die Inanspruchnahme von Früherkennungsangeboten teilweise deutlich unter der Beteiligung der Allgemeinbevölkerung lag.

Zu erklären ist dies mit den spezifischen Barrieren, die sich für inter* bzw. trans Menschen in der Versorgung stellen. Zu den spezifischen Barrieren z. B. für trans Männer in der Gynäkologie finden Sie mehr in den vorangegangen Lernmodulen. Dies gilt jedoch auch für Untersuchungen, an die man vielleicht nicht direkt denkt, wie das Hautkrebs-Screening.

Hautkrebs-Screening wird auch vielfach von Allgemeinmediziner*innen durchgeführt. Dies kann die Möglichkeit bieten, dass auch geschlechtsnonkonforme Menschen diese Untersuchung eher in Anspruch nehmen, weil ihnen die Praxis bereits bekannt ist. Sie vermeiden so Situationen, in denen sie ihre Körperlichkeit einer komplett fremden Person erklären müssen.

Auch die Untersuchung der Haut im Genitalbereich ist Teil der Hautkrebsfrüherkennung, wird jedoch in der Untersuchungspraxis oftmals weggelassen. Zumal Frauen und andere Menschen mit Vulva machen die Erfahrung, auf einer Inspektion des äußeren Genitale bestehen zu müssen, wenn sie dies möchten. Grundlegend sollte bei keinem Menschen davon ausgegangen werden, dass eine Inspektion des äußeren Genitale eine Aufgabe der Gynäkologie bzw. Urologie darstellt, und diese Inspektion sollte allen Menschen im Rahmen einer sorgfältigen Untersuchung angeboten werden.

Je nach den eigenen Arbeitsabläufen und Aufgabengebieten sind Gesundheitsfachkräfte unterschiedlich mit körperbezogenen Maßnahmen, Untersuchungen usw. an Patient*innen befasst.
Grundwissen über häufige Themen, Erfahrungen und Anliegen von inter* und trans Menschen kann Gesundheitsfachkräften helfen, diese Situationen akzeptierend und möglichst sicher zu gestalten.

Lernziele:

  1. Bei körperlichen Untersuchungen und körperbezogenen medizinischen Maßnahmen ist ein akzeptierendes und sensibles Vorgehen besonders wichtig.
  2. Manche inter* und trans Menschen nutzen spezielle Hilfsmittel für ihren körpergeschlechtlichen Ausdruck.
  3. Die Empfehlungen für Prävention und Früherkennung bestimmter Erkrankungen sollten bei inter* und trans Menschen deren medizinische geschlechtsbezogene Anamnese berücksichtigen.

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