Lernpfad 4: Kommunikation im Berufsalltag

Lernmodul 2: An Ressourcen und Stärken anknüpfen

Bearbeitung ca. 15-20 Min.


Das Lernmodul stellt Stärken und Ressourcen innerhalb der Gesundheitsversorgung und bei inter* und trans Klient*innen oder Patient*innen dar – und wie beides wechselseitig voneinander profitieren kann.
Im Modul erhalten Sie eingangs einen theoretisch gehaltenen Überblick darüber, was gesundheitliche Ressourcen sind und was Ressourcenorientierung in der Gesundheitsversorgung bedeuten kann. Wie auch schon die Lernmodule zur Anamneseführung kann dieses Modul Ihre praktischen Fähigkeiten und Ihr Wissen zu einem ressourcenorientierten Vorgehen in Ihrem Arbeitsbereich ergänzen – eine grundlegende Ausbildung auch mit praktischen Übungen in der Gesprächsführung kann es nicht ersetzen.
Es ist jedoch das Ziel, dass Sie Anregungen erhalten, die Sie in verschiedene konkrete Arbeitssituationen übertragen können.

Lernziele:

  1. Ressourcenorientierte Arbeit ist ein wichtiger Faktor, um Gesundheit zu erhalten oder zu verbessern.
  2. Inter* und trans Menschen verfügen über etliche spezifische Ressourcenpotentiale, die Gesundheitsfachkräfte gezielt unterstützen können.
  3. Gesundheitsfachkräfte und Fachkräfte-Teams verfügen ebenfalls über Ressourcenpotentiale, an die sie gezielt anknüpfen können.

Einen stärkenden Zustand fördern

In der gesundheitlichen Versorgung geht es häufig um Erkrankungssituationen oder es existiert zumindest eine asymmetrische Machtverteilung zwischen den Fachkräften und Patient*innen und Klient*innen. Der Blick ist meist auf mögliche Abweichungen von der Norm und eventuelle Pathologien gerichtet.

Das Salutogenese-Konzept (Antonovsky, 1987) war wegweisend, um eine Abkehr von einer defizitorientierten Perspektive zu finden. Es adressiert die Fragen, wie Menschen ihre Gesundheit in belastenden Situationen erhalten, wiederfinden oder sich ein Gefühl von Gesundheit auch in schwierigen Situationen erhalten können.

Aus diesem ressourcenorientierten Blickwinkel auf Fähigkeiten und Potenziale von Menschen lassen sich für die Gesundheitsversorgung spezifische Interventionen und Haltungen ableiten. Diese helfen, in Menschen Resilienz und stärkende Zustände zu aktivieren. (Diegelmann, 2016)

Ressourcenorientierung

Was eine Ressource darstellt, ist von Situation und Person abhängig (Nestmann, 1996). Ressourcen sind dabei Stärken und Potenziale, die Wohlbefinden und Resilienz im Kontext der Bewältigung von Belastungen und Stresserleben fördern (Diegelmann/Isermann, 1996). Nachfolgend finden Sie eine Abbildung mit Bereichen, in denen Menschen Ressourcen haben.

Gesundheit in all ihren psychischen, physischen und körperlichen Dimensionen ist letztlich von der Verfügbarkeit und Mobilisierbarkeit von Ressourcen abhängig (Lenz, 2003).

Ressourcen ergeben den Möglichkeitsspielraum, innerhalb dessen sich Menschen ihr Leben gestalten können.

Individuelle und kontextbezogene Faktoren und ihre Interaktion

Ressourcenpotenziale sind einerseits individuell als personale Kräfte und Stärken vorhanden und andererseits kontextbezogen und -abhängig, also über soziale Netzwerke vermittelt (der nächste Abschnitt im Modul geht darauf genauer ein).

Ein ressourcenorientierter Blick richtet sich auf das Vorhandensein potenzieller Ressourcen, deren Mobilisierbarkeit und Zugänglichkeit, und insbesondere auch auf die Interaktion der personalen kontextbezogenen Faktoren. (Lenz, 2003)

Handlungsmuster und kognitive Überzeugungssysteme eines Menschen stellen personale Ressourcen dar. Soziale, materielle, kulturelle Potenziale eines Menschen bieten kontextbezogene Ressourcen. Beide Ebenen interagieren und darin können sich Synergie-Effekte hinsichtlich der Stärkung von Resilienz entfalten.

Die Verknüpfung von individuellen und kontextbezogenen Ressourcen dient dem Empowerment im Sinne von Selbstbemächtigung und Selbstbefähigung. Eine ressourcenorientierte Arbeit findet immer mit Menschen in ihren Kontexten und auch an den Kontexten statt. (Lenz, 2003)


Ressourcenpotentiale, Abbildung nach: Dennert, 2021

Bitte setzen Sie sich mit den folgenden Fragen aus­ein­ander.

Betrachten Sie die Abbildung zu Ressourcenpotenzialen und denken Sie an sich selbst:
Was ist Ihnen wichtig? Woraus schöpfen Sie Kraft?
Hinweis: Wenn Sie die Möglichkeit haben, empfehlen wird, dass Sie Aufzeichnungen machen und diese aufbewahren. Am Ende des Moduls gibt es einei weitere Reflexionsfrage, die daran anknüpft.
Bitte klicken Sie auf „Weiter“, wenn Sie sich mit den Fragen auseinandergesetzt haben.

Individuelle Ressourcen

Individuelle (persönliche) Ressourcen helfen Menschen dabei, Handlungen und Emotionen und damit auch ihre Reaktionen auf Belastungen zu bewerten, zu regulieren und zu steuern. Sie spielen auch eine zentrale Rolle dabei, auf soziale Ressourcen zuzugreifen.
Hilfreiche Potentiale auf individueller Ebene finden sich zum Beispiel als

  • intellektuelle Ressourcen (z. B. Fähigkeit zu lernen, Fähigkeit zu reflektieren),
  • psychologische Ressourcen (z. B. Zielorientierung, Erfahrung von Selbstwirksamkeit, positive Emotionen),
  • physiologische Ressourcen (z. B. Formen von Mobilität, Gesundheit hinsichtlich bestimmter körperlicher und mentaler Aspekte).

Ihren Ausdruck finden persönliche Ressourcen in kognitiven Überzeugungssystemen und habitualisierten Handlungsmustern. (Lenz, 2003)

Diese Aspekte bestehen grundsätzlich für alle Menschen in dieser Gesellschaft. Auf persönlicher Ebene unterscheidet sich, inwiefern Ressourcen vorhanden und insbesondere auch, inwiefern sie dem Individuum zugänglich sind. Viele psychotherapeutisch ausgerichtete Interventionen befassen sich direkt oder indirekt mit hilfreichen Potentialen und wie sie aktiviert und persönlich erschlossen werden können.

Eine grundlegende Intervention, die in allen Bereichen der Gesundheitsversorgung möglich erscheint, besteht darin, vorhandene Ressourcen zu adressieren, zu verbalisieren und zu würdigen. Das Ziel ist, individuelle Ressourcen zu unterstützen, zu erhalten und gegebenenfalls zu aktivieren.

Kontextuelle Ressourcen

Diese Ressourcen hängen mit dem sozialen und gesellschaftlichen Eingebundensein zusammen. Sie gestalten die Lebensbedingungen und -umstände von Menschen.

Die Abgrenzung zwischen individuellen und kontextuellen Ressourcen ist teilweise nicht eindeutig. Einige Punkte der folgenden Darstellung kontextueller Ressourcen werden von einigen Fachautor*innen im persönlichen Bereich verortet.

Kontextuelle Ressourcen beziehen sich auf:

  • relationale Ressourcen zu nahestehenden Personen, Partner*innen, Familie etc.,
  • soziale Netzwerke und das soziale Umfeld,
  • materielle, finanzielle und praktische Ressourcen, z. B. Arbeit, Wohnung, soziale Absicherung,
  • institutionelle Ressourcen, z. B. Vorhandensein von Gesundheitseinrichtungen, Beratungsstellen,
  • strukturelle Ressourcen wie gesetzliche Anerkennung und Diskriminierungsschutz.

Die Interaktion im Fokus

Eine ressourcenorientierte Perspektive fokussiert auf das Zusammen- und Wechselwirken von individuellen und kontextabhängigen Ressourcen. Diese beiden Ebenen können Synergieeffekte entfalten und sich gegenseitig stärken.

Aus einem vorangegangenen Modul kennen Sie die Definition von Gesundheit aus der Ottawa Charta der WHO (1986): „Gesundheit wird von Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt: dort, wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben.“Auch hier wird betont, wie Gesundheit in der Interaktion von Menschen mit und in ihrer Umgebung aktiv hergestellt wird.
Eine ressourcenorientierte Haltung bedeutet, die Arbeit mit Menschen in ihren Kontexten und an ihren Kontexten zu fokussieren. (Lenz, 2003)

Partizipation

Im Alltag der Gesundheitsversorgung finden sich diese Überlegungen praktisch z. B. im Konzept der partizipativen Entscheidungsfindung auf der Grundlage des informed consent (informierte Zustimmung) wieder.

Partizipation in der Gesundheitsversorgung erfordert eine gemeinsame Gestaltung des Prozesses, ohne Gesundheitsfachkräfte aus der Verantwortung für ihr Handeln zu entlassen. In manchen Settings der Gesundheitsversorgung erfordert es einen institutionellen Wandel und eine Veränderung auch der eigenen professionellen Haltung.

Was stärkt und unterstützt?

Ressourcen und Stärken in vielen Bereichen: Sandrao Mendig erzählt davon.

Relationale Ressourcen: Beziehungen

Relationale Ressourcen beziehen sich auf enge unterstützende Personen, wie z. B. Partner*innenschaften oder (wahl-) verwandtschaftliche Systeme. Ein wichtiger Faktor ist eine wertschätzende, stabile Beziehung zu einer Bezugsperson (Rönnau-Böse et al., 2022).

Viele trans und inter* Personen finden in ihren intimen Beziehungen und Freundschaften eine Art Wahlfamilie, die sie im Alltag unterstützen kann (Pinto et al., 2008). Wieder andere leben sozial sehr isoliert und haben keine Menschen, die ihnen in Notsituationen helfen können (Zelle/Arms, 2015). Die Ergebnisse der InTraHealth-Befragung zu diesem Bereich wurden in Lernpfad 2 vorgestellt.

Innerhalb von medizinischen oder psychotherapeutischen Settings stellt eine gelingende Therapiebeziehung einen zentralen Wirkfaktor dar. Wie Gesundheitsfachkräfte dazu in der Kommunikation beitragen können, wurde im ersten Modul dieses Lernpfades dargestellt. Es ist wichtig, dass keine Situation eintritt, in der sich inter* oder trans Personen als „Sonderfall“ behandelt fühlen (National LGBT Health Education Center, 2020). Akzeptanz für die geschlechtliche Biografie und das Anerkennen, dass Patient*innen und Klient*innen die Expert*innen ihrer lebensweltlichen Situation sind, wirkt hingegen als Ressource.

Soziale Netzwerke

Soziale Netzwerke stellen gerade im Erkrankungsfall wichtige Ressourcen dar, indem sie beispielsweise Prozesse von informeller Informationsgewinnung unterstützen oder ganz praktische Hilfe leisten. Fragen nach dem Vorhandensein von hilfreichen Kontaktpersonen gehören zum Standard in Anamnesegesprächen.

Menschen, die gesellschaftlich diskriminierten sozialen Gruppen angehören, bilden oftmals spezifische soziale Netzwerke, die auf dieser gemeinschaftlichen Erfahrung aufbauen, sogenannte Communities.

Communities als Netzwerke

Die Idee ist, dass Angehörige bestimmter Communities über – zumindest in Teilen – ähnliche Erfahrungen verfügen und sich gegenseitig unterstützen und stärken können. Diese Netzwerke können informell sein oder über bestimmte Treffpunkte verfügen, online in Sozialen Medien und außerhalb dieser im persönlichen Kontakt bestehen.

Communities zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich an Personen mit bestimmten Erfahrungen richten, zum Beispiel an inter* oder trans Menschen. Weitere Community-Netzwerke existieren zum Beispiel für Menschen mit nicht-heterosexueller Lebensweise, wie Lesben, Schwule, Bisexuelle u.a.m. Oder es bilden sich Community-Strukturen für Menschen, die rassismuserfahren sind, wie z.B. Gruppen für BIPoC (Schwarze, indigene Menschen und Personen of color). Die Aufzählung ließe sich fortsetzen.

Mehrfachmarginalisierte Menschen, inter* oder trans Menschen of color zum Beispiel, können dabei auch durchaus mehreren Community-Netzwerken angehören.

Personen, die über die jeweiligen Erfahrungen nicht verfügen, die ein Community-Netzwerk begründet, haben nur eingeschränkt oder keinen Zugang zu diesen Netzwerken und Communities. Trotzdem ist es sinnvoll, von deren Existenz zu wissen, um gegebenenfalls Patient*innen oder Klient*innen zum Beispiel auf Beratungsstellen oder andere Anlaufpunkte aufmerksam zu machen zu können.

Community-Anbindung in der InTraHealth-Studie

Über die Hälfte der Teilnehmenden an der InTraHealth-Befragung (N=578) waren „eher zufrieden“ bzw. „voll und ganz zufrieden“ mit ihrer Anbindung an andere Menschen, die auch trans bzw. inter* sind. Ein Fünftel war „eher nicht zufrieden“ bzw. „überhaupt nicht zufrieden“ damit. Die Ergebnisse waren sehr ähnlich bei der Frage, inwiefern die Teilnehmenden zufrieden sind mit ihrer Anbindung an andere Communities, denen sie sich verbunden fühlen.

Zum Verständnis der Zahlen sei darauf hingewiesen, dass die Werbung für die Studienteilnahme auch über Gruppen, Verbände und Einrichtungen der inter* und trans Communities verlief. Es ist also davon auszugehen, dass eher solche Menschen mit der Befragung erreicht wurden, die bereits eine Anbindung an diese Strukturen aufwiesen. Trotzdem war immerhin ein Fünftel mit ihrer Community-Einbindung nicht zufrieden.

Hilfreiche Informationen bieten

In Gesprächen und Kontakten, in denen auch über die soziale Einbindung gesprochen wird, kann eine Frage nach der Anbindung an Community-Netzwerke hilfreich sein, um die soziale Situation besser zu erfassen. Gegebenenfalls ist es möglich, Menschen auf alternative Unterstützungsangebote aufmerksam zu machen wie zum Beispiel Beratungsstellen oder Selbsthilfegruppen für trans und oder inter* Personen.

Im Wartebereich könnten Faltblätter oder Informationsmaterial von lokalen Gruppen oder überregionalen Informations- und Beratungsangeboten ausgelegt werden.

Welche Bedeutung haben Communities?

Andrea Jüsgen und Sandrao Mendig sprechen über die Unterstützung, die Communities und Gemeinschaft vermitteln.

Ressourcenorientierte Grundhaltung

Für die Psychoonkologie wurde eine ressourcenorientierte Grundhaltung beschrieben, deren Elemente sich auch auf andere Bereiche der Gesundheits- und Krankheitsversorgung übertragen lassen (vgl. Diegelmann, 2016):

  • Wertschätzung und Anerkennen der Situation,
  • Interventionen, um Stressregulation zu fördern – unnötige Stressbelastungen vermeiden,
  • neben den Risikofaktoren auch die Schutzfaktoren explorieren,
  • Patient*innen als kompetente Expert*innen ihrer Lebenssituation wahrnehmen,
  • Stärkung der Resilienz auch auf Seiten der Gesundheitsfachkräfte.

Diese grundlegende Herangehensweise bezieht Ressourcen bereits ab dem ersten Kontakt in die Versorgung von Patient*innen und Klient*innen ein.

Leitfragen der Ressourcenorientierung

Leitfragen zum Verständnis von Ressourcen und Ressourcenzugängen bei anderen und auch bei sich selbst können lauten: „Was gibt Ihnen Halt? Was ist Ihnen wichtig? Woraus schöpfen Sie Kraft?“

Wie diese Leitfragen im Versorgungskontakt adressiert werden und welche Interventionen erfolgen, hängt selbstverständlich sehr vom Setting, Behandlungsanlass und auch der Ausrichtung des Kontakts ab. Es ist klar, dass sich psychotherapeutische Behandlungen beispielsweise von einem Visitengespräch nach einem Beinbruch oder der Situation in der ambulanten häuslichen Pflege unterscheiden.

Dennoch sind einige Gemeinsamkeiten und Grundlagen beschrieben, die hier im Folgenden dargestellt werden.

Ressourcen erhalten und Verlust von Ressourcen vermeiden

Die allgemeine Versorgung bemüht sich darum, Ressourcen zu erhalten, zu sichern und ihren Verlust zu vermeiden. Die Theorie des Ressourcenerhalts (Hobfoll, 1989) geht davon aus, dass es insbesondere der (drohende) Verlust von Ressourcen ist, der zu Stresserleben führt und damit zu physischen und psychischen Belastungen beiträgt.

(Drohender) Ressourcenverlust ist auch insofern höchst problematisch, weil sich eine Spirale von immer weiter fortschreitenden Einbußen von Ressourcen entwickeln kann. Gerade in der allgemeinen Gesundheitsversorgung, die oftmals eine Krankheitsversorgung ist, sollte besonders auf den Erhalt von Ressourcen geachtet werden.

Neue Ressourcen zu erschließen, kann auch hier gelingen, ist jedoch auch vielfach das Ziel spezifischer psychotherapeutischer Interventionen.

Aktivierung von persönlichen Ressourcen

Die Perspektive auf die Stärken und Potentiale zu richten – und eben nicht ausschließlich auf die aktuellen Probleme –, ist von zentraler Bedeutung. Schon das direkte Fragen, wie Menschen bisher bestimmte Herausforderungen bewältigt haben oder wie sie dies in der Vergangenheit geschafft haben, macht Ressourcen explizit zum Gegenstand eines Gesprächs. Die Aufmerksamkeit wird auf hilfreiche Erfahrungen gelenkt.

Fragen regen zudem neue Sichtweise und veränderte Denkprozesse an und können so auch hilfreiche Prozesse im Nachgang zu Kontakten anregen. Dies kann individuelle Ressourcen aktivieren und den Zugang zu vorhandenen Ressourcen fördern.
Für die praktische Versorgung bedeutet dies, dass es bedeutsam ist, auf die Formulierung von Fragen zu achten und darauf, welche Haltung mit Fragen transportiert wird oder werden könnte..
„Was ist (war) hilfreich im Umgang mit dieser Situation?“

Die Vorstellung ist, dass das Erzählen von Erfolgsgeschichten Zustände im eigenen Ich aktiviert, die mit diesen positiven Erfahrungen verbunden sind. Diese Zustände fördern das Bewältigungspotential für aktuelle Herausforderungen. (Lenz, 2003)

Aktivierung kontextbezogener und sozialer Ressourcen

Hierfür gibt es spezifische Methoden, die beispielsweise in der ressourcenorientierten Beratung eingesetzt werden. Auf eine Möglichkeit sei an dieser Stelle hingewiesen, weil diese möglicherweise auch im Alltag der Gesundheitsversorgung zum Einsatz kommen kann: das Fördern von Peer-Zusammenhängen, das sogenannte peer involvement.

Unter peer involvement wird der gezielte Einsatz von Menschen in einer ähnlichen Lebenssituation als Ressource verstanden. Das können z. B. gleichaltrige Menschen sein, wenn es sich um Patient*innen mit spezifischen altersbezogenen Herausforderungen handelt (Lenz, 2003). Im Kontext von Gesundheitsversorgung von trans bzw. inter* Menschen existieren Peer-Beratungsmöglichkeiten, also Angebote, in denen Menschen mit lebensweltlicher Expertise Gespräche anbieten.

Im Bedarfsfall können inter* und trans Patient*innen auf solche Angebote aufmerksam gemacht werden.

Die Verknüpfungen von Person und Kontext stärken

Indem Menschen ermutigt werden, von ihren eigenen positiven Kräften und unterstützenden sozialen Erfahrungen zu erzählen, werden sie darin unterstützt, selbst die Verknüpfung von individuellen und kontextabhängigen Ressourcen zu vertiefen (Lenz, 2003).

Manchmal ergeben sich auch Situationen, in denen es möglich ist, gezielt nach dem zu fragen, was am eigenen Handeln (oder am Handeln eines Teams) als hilfreich empfunden wurde. Diese Geschichten helfen auch sich selbst als Fachkraft und dem Team, die eigenen Ressourcen und Stärken besser zu erkennen und gezielter als solche einsetzen zu können.


Ressourcenpotentiale, Abbildung nach: Dennert, 2021

Eigene Ressourcen erkennen und einsetzen

Sie konnten am Ende von Abschnitt 2 in diesem Lernmodul bereits einmal für sich überlegen, welche Stärken Sie selbst haben und was Ihnen Kraft und Unterstützung bietet. Die Grafik dazu sehen Sie hier nochmals.

Ressourcen sind höchst individuell. Sicherlich verfügen Sie über weitere, die aus Ihrem individuellen Leben und Ihren Kontexten entstammen, die in einer schematischen Übersicht nicht auf den ersten Blick abzubilden sind.

Auch wenn das Erleben von Diskriminierung und Ausgrenzung zu Nachteilen (und nicht etwa zu Vorteilen) für die direkt Betroffenen führt, so bieten doch Erfahrungen von Widerstand und persönlichen und kollektiven Erfolgen im Umgang mit diesen Situationen auch Chancen, die über die konkrete Situation hinausgehen. Reflektierte und verarbeitete Erfahrungen können für Fachkräfte eine wichtige Ressource darstellen.

Die Gynäkologin Dr. Mechtild Kuhlmann-Weßeling erzählt davon im nachfolgenden Video.

„Im Sinne der Vielfalt und der Lebendigkeit“: Eigene Erfahrungen nutzen

Die eigenen Erfahrungen als Motivation und Ressource: Mechthild Kuhlmann-Weßeling setzt sich als Lesbe für die Rechte lesbischer Eltern, Vielfalt und Lebendigkeit in der Gesellschaft ein.

Bitte setzen Sie sich mit den folgenden Fragen aus­ein­ander.

Betrachten Sie die Abbildung zu Ressourcenpotenzialen und denken Sie an sich selbst:
Was ist Ihnen wichtig? Woraus schöpfen Sie Kraft?
Bitte klicken Sie auf „Weiter“, wenn Sie sich mit den Fragen auseinandergesetzt haben.

Auch alltägliche Kontakte und Gespräche in der Gesundheitsversorgung können durch eine ressourcenorientierte Grundhaltung viel dazu beitragen, dass Patient*innen, Klient*innen und auch Fachkräfte selbst sich ihrer Stärken mehr bewusst werden und diese besser für sich einsetzen können.

Lernziele:

  1. Ressourcenorientierte Arbeit ist ein wichtiger Faktor, um Gesundheit zu erhalten oder zu verbessern.
  2. Inter* und trans Menschen verfügen über etliche spezifische Ressourcenpotentiale, die Gesundheitsfachkräfte gezielt unterstützen können.
  3. Gesundheitsfachkräfte und Fachkräfte-Teams verfügen ebenfalls über Ressourcenpotentiale, an die sie gezielt anknüpfen können.

Antonovsky, Aaron (1997): Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit. Tübingen: Verlag Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie.

Dennert, Gabriele (2021): Ressourcenorientierung in der Gesundheitsversorgung. Vortrag. Fachhochschule Dortmund.

Diegelmann, Christa (2016): TRUST: Impulse für einen integrativen Behandlungsansatz – Salutogenese, Resilienz und Positive Psychologie als Fundament. In: Diegelmann, Christa/Isermann, Margarete (Hrsg.): Ressourcenorientierte Psychoonkologie. Psyche und Körper ermutigen. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Kohlhammer Verlag. S. 85–102.

Diegelmann, Christa/Isermann, Margarete (2016): Auf dem Weg zu einer Ressourcen- und Resilienzdiagnostik. In: Diegelmann, Christa/Isermann, Margarete (Hrsg.): Ressourcenorientierte Psychoonkologie. Psyche und Körper ermutigen. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Kohlhammer Verlag. S. 110–119.

Hobfoll, Stevan E. (1989): Conservation of resources. A new attempt at conceptualizing stress. In: The American psychologist 44, H. 3, S. 513–524.

Lenz, Albert (2003): Ressourcenorientierte Beratung – Konzeptuelle und methodische Überlegungen. In: Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie 52, S. 234–249.

National LGBT Health Education Center. „Affirmative services for transgender and gender-diverse people. Best practice for frontline health care staff“. Updated Winter 2020. https://www.lgbtqiahealtheducation.org/wp-content/uploads/2020/03/TFIE-40_Best-Practices-for-Frontline-Health-Care-Staff-Publication_web_final.pdf (Abfrage 03.02.2023).

Nestmann, Frank (1996): Psychosoziale Beratung – ein ressourcentheoretischer Entwurf. In: Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis 28, S. 359–376.

Nestmann, Frank (2007): Ressourcenorientierte Beratung. In: Nestmann, Frank/Engel, Frank/Sickendiek, Ursel (Hrsg.): Das Handbuch der Beratung. 2. Auflage. Tübingen: dgvt-Verl. S. 725–753.

Pinto, Rogerio M./Melendez, Rita M./Spector, Anya Y. (2008): Male-to-female transgender individuals building social support and capital from within a gender-focused network. In: Journal of gay and lesbian social services 20, H. 3, S. 203–220 (auch online unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2858872/, (Abfrage 8.2.2023).

Rönnau-Böse, Maike/Fröhlich-Gildhoff, Klaus/Bengel, Jürgen/Lyssenko, Lisa. „Resilienz und Schutzfaktoren“. https://leitbegriffe.bzga.de/alphabetisches-verzeichnis/resilienz-und-schutzfaktoren/ (Abfrage 09.02.2023).

World Health Organization (1986): Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung, 1986.

Zelle, Andraya/Arms, Tamatha (2015): Psychosocial effects of health disparities of lesbian, gay, bisexual, and transgender older adults. In: Journal of Psychosocial Nursing and Mental Health Services 53, H. 7, S. 25–30 (auch online unter http://search.ebscohost.com/login.aspx?direct=true&db=psyh&AN=2015-32925-004&site=ehost-live, (Abfrage 10.2.2023).